Aphrodite und Eros
Malgorzata Chodakowska ist Bildhauerin, voller Kraft und in Autonomie stellt sie sich der Auseinandersetzung mit dem Menschenbild sowie der großen Form. Ihr bildnerisches Schaffen gründet sich auf den handwerklich soliden und künstlerisch souveränen Umgang mit dem Material. Dabei geht ihr sicheres Form- und Proportionsempfinden mit einer umfassenden Fähigkeit zur Sinnlichkeit einher.
Auf diese Weise schöpft sie für ihre bildhauerische Arbeit aus einer der ureigenen Kraftquellen künstlerischen Gestaltens – das Vertrauen in die Sinne. Für den Betrachter ihrer Bildwerke ist damit von vornherein ein Erlebnis verbürgt: der ästhetische Genuss. Doch damit nicht genug. So man Willens ist, sich auf ihre Skulpturen einzulassen, eröffnen die Gestalt gewordenen Formen ein reiches Assoziationsspektrum für Emotionen und Träume sowie für Gedanken und weite Erkundungen in die Seele des Menschen, vor allem auf der Seite des Betrachters.
Die großen Baumstämme werden mit Dreibein und Laufkatze im Atelier bewegt. In einigen der Plinthen und Sockel ihrer Figuren sind die ursprünglichen Dimensionen der unbehauenen Stämme noch zu ahnen und zu spüren. In Bäumen lagen die zukünftigen Figuren verborgen. Erst die bildnerische Kraft der Künstlerin verwandelte das rohe Material. Dieses Empfinden einer Verwandlung ruft das alte Bild in Erinnerung, dass die Skulpturen nur vom überflüssigen Holz befreit werden mussten. In großen Zügen wird zuerst die Kontur der zukünftigen Skulptur auf dem Stamm skizziert und ebenso großzügig wird das erste überflüssige Material meist mit einer Kettensäge beseitigt. Dann wird mit Stechbeitel und Eisen der verborgenen Form nachgespürt. Bei dieser „Befreiung“ erweist sich Malgorzata Chodakowska als souveräne Partnerin des Materials, überlegt führt sie die künstlerische Regie. Durch die Überlegenheit der Entwürfe und die Selbstverständlichkeit des Handwerkes schafft die Künstlerin plastische Ordnungen von prägnanter, sinnlicher Schönheit und dennoch spannungsvoller formaler Energie.
Ihre Figuren bestechen durch die Geschlossenheit der Formen sowie durch eine ästhetische Energie, die sich in der Klarheit der kompositorischen Ordnungen konzentriert. Oft bildet der Kontrast zwischen geometrischen Grundformen – sei es Dreieck und Rechteck oder ganz prinzipiell das Horizontale und das Vertikale – und der Lineatur des weiblichen Körpers das grundlegende bildnerische Thema.
Der (Wesens-)Kern der Figuren bleibt aber immer unverletzt und in der Tiefe der Form geborgen. Dadurch entsteht eine Ausstrahlung, welche die Figuren auf eigentümliche Art und Weise belebt, sich aber dennoch in das Innere der Skulpturen richtet, zurück in das Territorium des Werkes. In all ihren großen Frauenfiguren gelingt es der Künstlerin eine Sinnlichkeit freizulegen, die den Mut und die Kraft zur Erotik besitzt. Die Nacktheit der Skulpturen wirkt weder als Provokation noch ist sie bildnerisches Zeichen menschlicher Verletzlichkeit. Ihre Blöße ist Symbol einer Sehnsucht nach selbstverständlicher und selbstbewusster Schönheit.
Die offensive erotische Sinnlichkeit einiger Figuren erfährt dabei durch eine leise Melancholie in den Gesichtern der Frauen und Mädchen einen künstlerischen Kontrast. Die Augen sind zwar deutlich geöffnet, dennoch wandert der Blick ins Innere zurück. Auch sind Hände und Füße oft in großzügigen Formen ausgeprägt. Durch diese Details entsteht der Eindruck, als wären die Figuren aus unserer Gegenwart herausgefallen, sie erhalten etwas Überzeitliches. Ich glaube, dass Malgorzata Chodakowskas Skulpturen ihre eigene Zeit beanspruchen. Und gerade diese Qualität stellt sie in ein weites zeitgemäßes Thema – sie sind resistent gegen formale Geschwätzigkeit und gegen die oft beschworene Zerrissenheit unserer Wirklichkeit. Sie sind entstanden aus einer Leidenschaft für die sinnliche Schönheit.
Eine große Leidenschaft der Künstlerin gilt auch dem Element Wasser, genauer gesagt dem Brunnen. In ihren Brunnenkompositionen gelingt Malgorzata Chodakowska eine zeitgemäße Neufassung des alten Themas der Wasserkunst, das in nahezu allen alte Kulturen zu finden ist.
Im Zusammenspeil der Brunnenfiguren mit dem Wasser werden nicht nur optische Sensationen gesteigert, sondern es treten akustische Reize und nicht zuletzt das Moment der Erfrischung hinzu. Die Selbstverständlichkeit des Aktes erfährt durch den Umgang mit dem Wasser eine weitere Steigerung. Und in einer Fülle von phantasievollen bildnerischen Einfällen beginnt zum Klang des Wassers ein erotisches und märchenhaftes aber zuweilen auch nachdenkliches Spiel mit dem Element unseres Lebens – dem Wasser. Ganz besonders in den Brunnenkompositionen wird deutlich, dass Malgorzata Chodakowskas Figuren Monumente der Zuversicht und der Freude am Dasein sind.
Die Künstlerin hat in ihrer Auseinandersetzung mit der menschlichen Figur eine eigene künstlerische Sprache entwickelt, die kein Dialekt zu diesem ewigen Thema ist, sondern eine eigenständige Neufassung. Diese Qualität lässt ihre Figuren unverwechselbar werden und verhilft unserer Sehnsucht nach Schönheit zu Dauer und nachdrücklichem Ausdruck.
Dr. Gisbert Porstmann
März 2013